Nordfriesland: Eine Viertelmillion Euro will der Kreis Nordfriesland künftig zusätzlich pro Jahr in die Hand nehmen, um den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu verbessern. Zentrale Neuerung ist ein Rufbus-System für 18 Teilregionen im Kreisgebiet, mit dessen Hilfe auch ländliche Orte Anschluss an das überregionale Kernnetz erhalten sollen (wir berichteten). Die entsprechende Ausschreibung haben Verwaltung und Kreispolitik bereits auf den Weg gebracht. Das neue Konzept soll vom Jahr 2018 an für die folgenden fünf bis zehn Jahre eingeführt werden, so es die Ergebnisse der Ausschreibung zulassen.
Das neue System fußt – in modifizierter Form – auf dem ÖPNV-Konzept des Kreises Salzwedel in Sachsen-Anhalt. Im sogenannten Ramboll-Gutachten der Landesregierung zum Thema „Mobilität der Zukunft in Schleswig-Holstein“ vom Dezember dieses Jahres wird es mit seinem flächendeckenden Rufbus in enger Vertaktung mit Schnellbussen und der Bahn als Good-Practice-Beispiel explizit hervorgehoben. Denn durch das bewährte, neustrukturierte Busliniennetz werde den Auswirkungen des demografischen Wandels entgegengesteuert.
Als „Vater“ des jetzt angepeilten nordfriesischen Modells darf der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Uwe Schwalm, gelten. Vorausschauend hatte er sich vor inzwischen mehr als zwei Jahren für eine Informationsreise von Kreisvertretern durch halb Deutschland stark gemacht, um erfolgreiche Verkehrsprojekte für den ländlichen Raum in Augenschein zu nehmen. Bei der Suche nach einem ÖPNV-Modell der Zukunft für Nordfriesland waren sie dann „mehr oder weniger zufällig“ auf Salzwedel gestoßen.
Während die Info-Tour zunächst noch politisch umstritten war, ließen sich alle Beteiligten schließlich nach und nach von den Zukunftschancen überzeugen, die das Salzwedeler Modell auch für Nordfriesland bietet. Mit den Ausschlag gab dafür ein Gutachten, das der Kreis NF in Auftrag gegeben hatte, um die Übertragbarkeit abzuklopfen. Nachdem auch die Gemeinden ihre Zustimmung signalisiert hatten, fielen am Ende alle Entscheidungen einstimmig, was Schwalm auch als einen Erfolg grüner Verkehrspolitik wertet.
Erleichtert ist er, dass ursprüngliche Überlegungen nicht zum Zuge gekommen sind, wonach der Kreis die Verantwortung für den Öffentlichen Personennahverkehr auf die 18 Teilregionen übertragen sollte. „Dann hätten wir im Festlands-Bereich bestenfalls einen Flickenteppich unterschiedlicher ehrenamtlicher Mobilitäts-Initiativen bekommen“, sagt er. Außer jenen in Ladelund und Eiderstedt, wäre wohl kaum etwas übrig geblieben – „die Konsequenzen für die Lebensqualität auf dem Lande kann sich jeder selbst ausmalen“.
Jetzt bietet sich laut Schwalm die Chance, in den nächsten zehn Jahren ein einheitliches und professionelles Rufbus-System mit rund fünf Millionen Fahrplan-Kilometern in der Fläche zu etablieren, von denen erfahrungsgemäß voraussichtlich zwischen 20 und 30 Prozent abgerufen würden. „Das ist zwar teurer als das bisherige, doch ohne das Konzept würden unsere ländlichen Regionen unaufhaltsam weiter ausbluten“, so der Kreispolitiker. Dabei ist ihm bewusst, dass auch für dieses Modell in der Anfangsphase ehrenamtliches Engagement unentbehrlich sei. Denn es gelte, insbesondere auch ältere Menschen auf dem Land mit den Neuerungen vertraut zu machen. Ansonsten müssten sich die Verkehrsbetriebe anstrengen, „denn sie wissen, dass dieses System zumindest landesweit ihre letzte Chance ist, die Fläche zu bedienen“.
Parallel zur Rufbus-Einführung im Nahverkehr ist im Übrigen geplant, für die Ballungsräume und Inseln eine App zu entwickeln und testen zu lassen. Diese soll es ermöglichen, private und professionelle Car- und Pedelec-Sharing-Angebote in Echtzeit anzuzeigen, zu buchen und zu bezahlen. Da das für Nordfriesland noch Zukunftsmusik ist, so Schwalm, „hat das Rufbus-System inzwischen gute Chancen, sich zu etablieren“. fu